Ab März 2020 galten notwendigerweise gesellschaftliche Reglungen, die unsere geplanten Kurse und Konzerte unmöglich machten. Um kreativ miteinander durch diese historische Zeit in Kontakt zu bleiben und weiter arbeiten zu können, haben sich April 2020 fünf Musiker vom Open_Music Ensemble und ein Video-Künstler entschlossen, im Geiste der Open_Music Sessions, Wege zu suchen, unseren Austausch von unterschiedlichen Orten aus fortzusetzen, um die Ergebnisse auf unserer Webseite und in den sozialen Medien zu veröffentlichen. Weil die Improvisationen in Schichten entstanden, nannten wir das Projekt „LAYERS.„ Wir bedanken uns zutiefst beim Kulturamt Stuttgart für die Möglichkeit, flexibel auf der Situation zu reagieren.
Bei LAYERS arbeiteten die Künstler zu Hause: Vanderstraeten und Roller in Stuttgart, Borel u. Kiedaisch in Freiburg, Meier in Schwäbisch Gmünd, und Behringer in Weilheim (nah der Schweizer Grenze). Sie hatten in der Cloud einen zentralen Hub wo sie Daten (besonders Audio) austauschen konnten. Von April bis Juli entstanden auf dieser Weise fünf Ausgaben von LAYERS mit zehn Videos von Michi Meier.
Teilnehmer Open_Music LAYERS 2020: Felix Behringer – Klarinetten | Felix Borel – Violine | Michael Kiedaisch – Vibraphon u. Perkussion | Roderik Vanderstraeten – Elektronik u. Tontechnik | Scott Roller – Projektleitung, Webmaster, Cello u. Elektronik | Michi Meier – Video.
01. Mai 2020 – Layers 1 – Kammermusik in Schichten
Diese Studio-Improvisationen entstehen in Schichten (LAYERS) als Zusammenarbeit von sechs Musiker aus ihren jeweiligen “Home Studios” in Stuttgart, Freiburg und Weilheim nach folgender Methode:
Auf einem Server gibt’s die Möglichkeit, musikalische Entwicklungen in Gang zu setzen in dem man einen Ordner kreiert und eine (oder mehrere) .WAV Datei(en) hineinlegt. Wer dazu etwas aufnehmen möchte, lädt diese Datei(en) herunter, hört die Klänge auf Kopfhörer und spielt eine eigene Tonspur ein. Diese Einzelspur und u.U. einen vorläufigen Mix kommen dann in den Ursprungsordner herein, wo andere Musiker auch dazu spielen können. Wenn sich genug Material angesammelt hat, werden die Einzelspuren in einer oder gleich mehreren Fassungen abgemischt und in dieser Reihe publiziert.
In diesem Fall hat Felix Behringer vier kurze Improvisationen auf Bassklarinette am 16. April angeboten. Felix Borel hat bald seine Geigenstimmen dazu getan, dann spielte Scott Roller einige Cello Tracks ein, und zum Schluss spielten Michael Kiedaisch (Vibrafon) und Roderik Vanderstraten (Synth) bei manchen Spuren dazu. Roderik hat die endgültigen Mixes gemacht.
17. Mai 2020 – Layers 2 (Playlist + 2 Videos)
Diese zweite Ausgabe in der LAYERS-Reihe von Open_Music präsentiert drei Ketten von Improvisationen: „Katabasis,” initiiert am 22. April von Roderik Vanderstraeten (Synthi/Sound Design) und „Deep Sea (Insects),” von Michael Kiedaisch (Vibrafon/Perkussion), am 21. April in Gang gesetzt. „Noema” wurde von Roderik zusammen mit Felix Borel entwickelt, und Michael hat später eine Perkussionspur dazu gefügt.
„Katabasis” fing als ein vielschichtiger Mix an, mit einer sehr vordergründlichen Schlagzeugspur. Scott Roller hat aber eine etwas irrationale tiefe Synth Linie ausgesucht und sie mit einem Schwarm von vier tief-gestimmten Celli nachgezeichnet. Danach hat Roderik das Schlagzeug weggenommen und eine Fassung mit den Celli gepostet. Felix Borel fügte drei Geigenspuren dazu, später haben Michael Kiedaisch BassTrommel und Felix Behringer Bassklarinette dazu eingespielt. „Katabasis” wird erst in seiner komplexesten Form angeboten, zusammen mit zwei Alternativen aus früheren Entwicklungsstadien.
Die zwei „Tiefsee (Deep Sea)” Versionen fingen ihr Leben als eine Vibrafon Spur von Michael Kiedaisch an. Felix Borel hat als Nächstes eine radikal kontrastierende Geigenspur angeboten. Roderik hat dann eine Komplementärstimme zum Vibrafon auf Synth (Mellotron) eingespielt und zum Schluss kam eine Cellostimme von Scott als Partner zur Geige dazu.
Michi Meier hat zwei Visualisierungen zu den „Tiefsee” Improvisationen gemacht: eine, die sich auf das Duo Vibrafon/Mellotron begrenzte und eine zweite, die das Zwiegespräch Geige/Cello hervorhebt.
22. Mai 2020 – Layers 3 – „Dark Arts"
Diese dritte Ausgabe in der LAYERS-Reihe besteht aus nur vier Tracks, weil die jeweiligen Dauern der Studio-Improvisationen etwas länger sind, besonders die Nr. 4, „Borel-Maxi-Mix: Dark Arts.” Besonders an diesem Werk ist auch, dass es am 07. Mai von Felix Borel zusammengestellt wurde aus Auszügen einer Basstrommel Spur vom Michael Kiedaisch und einigen verschiedenen Cello „Elementen” angeboten von Scott am 03. Mai. Dazu hat er frei improvisiert, auf einem offenen Klavier-Rahmen und mit mehreren Spuren Bratsche.
Die Playlist fängt an mit: „Second Line: Corona Anthem“ (eine von SR verkürzter Fassung von „Dark Arts“) als Teaser gedacht…
„Short story” wurde von Felix Borel schon am 15. April als eine Solo-Geige Track initiiert, zu der Scott Roller (Cello), Michael Kiedaisch (Vibrafon) und Felix Behringer (Bassklarinette) in den zwei Wochen danach jeweils eine Spur dazufügten. Das Stuck ist ein komplexes Quodlibet gespielt von den einzelnen Musiker.
„Singing Bass Drum” besteht aus einer Spur Basstrommel (gespielt mit einem Flummi), angeboten von Michael am 28. April, wozu Scott einige Tage später zwei Cello-Tracks aufnahm.
Tonmeister: Roderik Vanderstraeten
12. Juni 2020 – Layers 4 – Alternativen...
Diese vierte Ausgabe ist das bisher umfangreichste Set in der LAYERS-Reihe und beinhaltet vier relativ dichten Ensemble-Sätze (mit 4-7 Spuren), gefolgt von vier Alternativ-Fassungen. Wie bei den ersten zwei Sets (Layers 1 & 2), sind die Alt.-Versionen einfachere, durchsichtigere, mehr kammermusikalische Ausführungen von drei der vier “Threads,” die die Ursprünge der musikalischen Entwicklungen hörbar machen, worauf die Musiker weitere Linien aufbauten. Ein weiterer Unterschied ist, dass diesmal die ersten vier Tracks alle eine elektronische Komponente aufweisen, wogegen die Alternativen gänzlich mit traditionellen, akustischen Instrumenten realisiert werden.
Wie schonmal bei Layers 1, gingen drei der Titeln („No. 3, No. 4 & No. 5”) von Klarinetten-spuren von Felix Behringer aus, aufgenommen Mitte-Mai. Michael Kiedaisch hat dann Vibrafon zu „No. 3” gespielt und zwei Perkussionsspuren (Großer Trommel/Saitentrommel) zu „No. 4” angeboten, während Roderik Vanderstraeten Synthesizer zu beiden Stücken eingespielt hat. Noch später hat Felix Borel eine Geigenspur zu Behringers „No. 5” eingebracht und einen Schwarm Geigenlinien zu „No. 3.” Letztlich hat Scott Roller eine Synth-Sequenz und zwei Cellospuren zu „No. 5” beigetragen. ”Stream 9” entsprang einer elektronischen Spur Scott Rollers, schon spät-April gepostet, zu der Felix Borel kurz danach drei Geigen dazu einspielte – vollendet mit drei Cellospuren von Scott Anfang Juni.
27. Juli 2020 – Layers 5 – Kleine Besetzungen
LAYERS 5 besteht aus Improvisationen mit kleinen Formationen – überwiegend aus der Zusammenarbeit von zwei Musikern. Oft stammen zwei oder mehr Spuren von der gleichen Person (mit einer vorläufigen Mix), wodurch die Hauptentwicklung des Stucks weitgehend bestimmt wird. Roderik Vanderstraeten ist mit Moog Synthesizer auf fünf von den sieben Tracks zu hören, was dem Set als Ganzes einen deutlich elektroakustischen Charakter verleiht.
Felix Borel hat zwei kontrastierenden Improvisationen angeboten: die romantisch schwebenden Linien in „Lyrisch” und die treibende Solo-Improvisation für Geige mit Stimme „Go go go!” Michael Kiedaisch steuerte eine Spur Vibraphon zu „Lyrisch” bei und „Tales” geht von einer mehrspurigen Studio Improvisation von ihm mit Kalimba, Gabelophon (ein Kalimba-ähnliches Instrument aus Gabeln) und präpariertes Klavier aus. „Broken Lyric” und die zwei „Elemente” basierten auf Solo-Cello Aufnahmen von Scott Roller, bei #1 mit einer Geigenstimme von Felix. Roderik Vanderstraeten interpolierte elektronische Spuren aus den akustischen Stimmen bei den Kiedaisch und Roller Stücken und setzte eigenes Material dazu.
Von “Element #4” hat Michi Meier ein Video kreiert, das von einer Vor-Version der Audiospur ausging, in der die Elektronik viel stärker pulsierte. Als Roderik sich schließlich stärker in einer polyrhythmischen Richtung begab, gewann das Video an Eigenständigkeit, und setzt seine eigene rhythmischen Impulsen zu dem Hörbaren dazu.
08. Juli 2020 – Scott Roller und Michi Meier
“20 Celli – Spectra” benutzt ausschließlich die ersten 20 Obertöne der tiefen C-Saite des Cellos und entstand in Scott Rollers Heimstudio 24.-28. Mai 2020. Er hatte das Stuck ursprünglich im Auftrag zweier Kollegen produziert: ein Lufthansa-Pilot mit einer Passion für Video und ein Musikerkollege. Sie wünschten sich einen frei-improvisierten Beitrag zu einer Sequenz aus dem 10-stündigen Echtzeit-Video Covid-19 follows Amber 575 – von einem Lufthansa Flug Mitte-März 2020 von Beijing nach Frankfurt.
Das Video von Michi Meier zeichnet die harmonische Entwicklung und die spektrale Natur des Klangs auf einer sehr sinnlichen Art nach. Es befreit die Musik aus seiner ursprünglichen Umgebung und verleiht ihr eine fließende organische Lebendigkeit.